"Vielleicht" ist nicht genug

Man kennt den Basler Roli Frei als Sänger von Bands wie Circus und Lazy Poker. Nun gastiert er mit seinem Projekt The Soulful Desert und dem beeindruckenden Album «Strong Is Not Enough» in der Cappella.

«Vielleicht der begabteste Sänger der Schweiz», wird in seiner Pressebiografie eine alte Zeitungskritik zitiert. Doch Roli Frei ist alles andere als der «Vielleicht»-Typ. Auf seinem neuen Album «Strong Is Not Enough» klingt der 63-jährige Sänger aus Basel entspannt und engagiert zugleich. Lavieren ist nicht sein Ding, er kokettiert nicht mit dem Mainstreamradio, und auch unverbindlicher Nonsens steht nicht auf dem Programm. Dafür geerdete Musik zwischen Rock, Blues und Soul, die auch den Blick in den Himmel nicht scheut.

Leise und eindringlich
Roli Frei hat ein Flair für Gospelmusik, das hört man in seinen Intros und Phrasierungen und in seinem Cover des tiefgründigen Daniel-Lanois-Songs «The Maker». Doch ansonsten ist der Sänger fest im Hier und Jetzt verankert. Sein Song «Bataclan» ist die Momentaufnahme eines Touristenpaars am Tag vor der verheerenden Terrorattacke auf den Pariser Club und erinnert leise, aber umso eindringlicher an dessen zufällige Opfer.

Als Sänger ist Frei alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Er war in den 1970er-Jahren Mitglied des Prog-Rock-Quartetts Circus und tourte später mit der Bluesband Lazy Poker durchs Land. Nun hat er nach einer temporären Schaffenskrise als Songwriter und Sänger zu sich selber gefunden und ist bereit, vieles von sich preiszugeben. Er kann sich dabei auf seine wandelbare Stimme verlassen, die er indessen nie überstrapaziert. Erfreulicherweise haben auch seine eigenen Songs das Format, um mit der Stimme mitzuhalten.

Kraft und Zuversicht
Wenn Roli Frei singt, klingen vertraute Stimmen wie Van Morrison oder Marvin Gaye an, doch der Sänger braucht sich nicht zu verstellen. Unterstützt von den mehr als nur soliden Musikern des Projekts The Soulful Desert, mit dem er nun schon sein drittes Album eingespielt hat, taucht er tief in den Blues, bleibt dort aber nicht hängen: «Strong Is Not Enough» hat seine düsteren Seiten, unter dem Strich aber versprüht das Album Zuversicht und Kraft. «Heute wohnen zwei Seelen in mir», sagt Frei. «Die eine drängt vorwärts. Die andere möchte das Bestehende ausleben. Am Schluss müssen die beiden den gemeinsamen Weg finden und gehen.» Nein, für Roli Frei ist «Vielleicht» nicht genug.

Samuel Mumenthaler
www.bernerzeitung.ch
16.12.2016